City Biathlon Dresden
Lisa Vittozzi und Jakob Fak gewinnen Premiere des City Biathlons
Dresden. Die Luft wird knapp, der Puls steigt, die Beine zittern – und dennoch muss der Treffer ins Schwarze gelingen. Beim Debüt des City Biathlons in Dresden am 15. September 2024 musste die Weltspitze des Biathlonsports dieselben Herausforderungen meistern wie im Winter – nur eben ohne Schnee und deswegen auf Skirollern. Statt durch verschneite Wälder führte der Weg der Ski-Jäger zum 50-Meter Kleinkaliber-Schießstand im Heinz-Steyer-Stadion. Die 4.000 Zuschauer auf den Sitzplätzen der gerade erst eröffneten Multifunktionsarena fieberten mit ihren Favoriten mit, während diese auf dem rund 2,3 Kilometer langen regennassen Rundkurs um jede Sekunde kämpften. Am Ende gab es bei den Damen einen Favoritensieg von Lisa Vittozzi und bei den Herren behielt in einem packenden Finish der Slowene Jakov Fak die Oberhand. Die glücklichen Champions dieses jenseits der Bergwelt ausgetragenen Wettkampfes setzten sich gegen eine beachtliche Konkurrenz durch, in der es von mehrfachen Olympiasiegern, Weltmeistern und Weltcup-Gewinnern nur so wimmelte. „Es ist toll, dass wir diese Veranstaltung in unserer Stadt haben. Ich glaube, man sieht auch deutlich, wie begeistert das Publikum dabei ist und mitgeht. Biathlon ist ein unheimlich beliebter Sport in Deutschland – und besonders auch in Dresden“, war Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert voll des Lobes.
Dramatischer Dreikampf in Dresden
Oft gingen die bangen Blicke zum wolkenverhangenen Himmel, aber der Wettergott hatte kein Einsehen. Gegen 13.13 Uhr öffnete er die Schleusen und es setzte teilweise heftiger Regen ein – was aber den sportlichen Leistungen keinen Abbruch tat. Mit sensationell schnellen und traumwandlerisch sicheren Schießeinlagen sah Johannes Thingnes Bø bei den Herren lange wie der sichere Sieger aus. Allerdings brachte der fünfmalige Olympiasieger nicht wirklich die nötigen PS auf den Dresdner Asphalt. „Das war ein erster Test. Ich habe erst acht Tage am Schießstand trainiert, dafür war das heute doch sehr gut. Aber es war eine schwierige Strecke, ein bisschen wie im Winter auf Eis“, erzählte der Norweger, der 20 WM-Titel für sich verbuchen kann. So entbrannte in der Schlussrunde ein spannendes Kopf-an-Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem Altmeister Jakov Fak das bessere Ende für sich hatte. „Ehrlich gesagt, bin ich etwas überrascht. Ich bin schon sehr lange dabei und ich versuche immer, mein Bestes zu geben. Und dann ist es ein schönes Gefühl, wenn es klappt. Ich bin sehr glücklich“, meinte der 37-jährige Slowene. Hinter dem herausragenden Athleten aus dem zurückliegenden Winter Bø sicherte sich bei dem packenden Dreikampf Justus Strelow aus Dippoldiswalde noch den verbleibenden Platz auf dem Podest. „Ich bin mit meiner Premiere bei einem City Biathlon sehr zufrieden. Ich habe geschafft, was ich mir vorgenommen habe. Das ist ein guter Beginn, jetzt geht es direkt ins Höhen-Trainingslager nach Frankreich“, meinte der Lokalmatador und entgegnete lachend auf die Aussage von Bø: „Wenn Johannes erst acht Tage Schießtraining hatte, will ich nicht wissen, wie das nach 30 aussieht.“ Strelow ließ mit seiner Platzierung den zweiten der Bø-Brüder hinter sich – Tarjei ordnete sich auf Rang vier ein. Der Erste der Qualifikation hieß Philipp Nawrath. Im Rennen landete der 31-Jährige aus Füssen dann auf dem fünften Platz. Dahinter reihte sich mit David Komaz ein Österreicher ein, gefolgt von dem Finnen Tero Seppälä. Mit Position acht musste sich Roman Rees begnügen, der 31-jährige WM-Silbermedaillengewinner aus Freiburg hatte neun Nachlader. Für Florent Claude war nur die rote Laterne drin. Mit 2:19.8 Minuten Rückstand rollte der Belgier ins Ziel.
Titelverteidigung mit Hindernissen für Lisa Vittozzi
Ein Biathlon in der City – ohne dicke Jacke, Mütze und Handschuhe. Da scheint sich Lisa Vittozzi sichtlich wohlzufühlen. Die Italienerin konnte damit ihren Titel vom letztjährigen City Biathlon in Wiesbaden verteidigen. Die 29-Jährige war die herausragende Biathletin im Weltcup doch in Dresden lieferte sie sich ein packendes Duell mit DSV-Athletin Johanna Puff aus Rosenheim. Ein Kräftemessen, das unter die Kategorie Pleiten, Pech und Pannen fiel. Schon in der Quali fiel ihr Gewehr um und verzog sich leicht, was in der Folge ihre schlechten Schießergebnisse erklärte. In der Pause nur notdürftig repariert, benötigte die zweifache Weltmeisterin im Finale insgesamt acht Nachlader, beim letzten Stehendschießen hatte sie nicht genügend Patronen im Magazin und auf der Schlussrunde verlor sie noch einen Skistock. So kam Verfolgerin Johanna Puff gefährlich an die Italienerin heran, doch als Vittozzi wieder einen Stock gereicht bekam, musste die DSV-Athletin mit Rang zwei zufrieden sein. „Ich wusste, wenn sie nun den Stock hat, dann ist es vorbei. Aber ich bin sehr froh mit meinem zweiten Platz. Mein Ziel ist es, mich im ATeam zu etablieren und da war das heute schon einmal kein schlechter Anfang“, meinte die Rosenheimerin. Die 29- jährige Karoline Offigstad Knotten war in der Qualifikation noch gestürzt. Die Norwegerin schlug sich das Knie auf, prellte sich die Hüfte und konnte nur schlecht ihre Handschuhe über ihre Hand streifen. Doch im Finale gab sie noch einmal Vollgas und sprintete auf den Bronze-Rang. So war die achtmalige Olympia-Medaillengewinnerin Franziska Preuss aus Ruhpolding nur ganz knapp geschlagen. Dahinter reihte sich Teamkollegin Marion Wiesensarter ein. Und nach den beiden Deutschen überquerte Marketa Davidova aus Tschechien den Zielstrich. Die Dritte des Gesamt-Weltcups Ingrid Landmark Tandrevold aus Norwegen und Paulina Bátovská Fialkova kamen in der Endabrechnung auf die Sieben und Acht – dabei konnte sich die Slowakin Fialkova noch in der Qualifikation durchsetzen. Am Ende des Feldes fanden sich einträchtig die zwei Annas aus Österreich ein. Zum einen Anna Gandler auf Platz neun und zum anderen Anna Andexer als Schlusslicht. „Es war eine tolle Stimmung und es hat mir sehr gut gefallen. Vor allem die Unterstützung des Publikums tut einem bei so einem Wetter besonders gut. Nun ich hoffe aber, dass mit diesem Rennen alle Missgeschicke für den kompletten Winter aufgebraucht sind“, sagte die strahlende Siegerin aus Italien im Anschluss.
Talente im Rampenlicht
Ein Blick in die Zukunft versprach die Sparkassen Youngster Team Challenge. Bei diesem internationalen Nachwuchsrennen traten nach dem Qualifikationsrennen der Profis einige der besten Biathlon-Talente aus Deutschland, Tschechien und Polen gegeneinander antreten. Schon in früheren Jahren des City Biathlons gingen hier spätere Stars wie Martin Fourcade und Erik Lesser an den Start. Und nun bekamen wieder zehn aufstrebende Nachwuchsathleten die Chance, ihr Können vor einem großen Publikum unter Beweis zu stellen. Mit einer gesunden Portion Nervosität und jeder Menge Ehrgeiz zeigten die jungen Talente, was sie draufhaben – sowohl technisch als auch mental. Dieses Kräftemessen der Stars von morgen konnte ein deutsches Duo für sich entscheiden. Es gewann Johanna Lehnung vom SV Grün-Weiß Pirna vereint mit Tim Nechwatal vom WSV Schömberg. Ihnen folgten Jugend-Weltmeisterin Alma Siegismund aus Schellerhau zusammen mit Vize-Juniorenweltmeister Fabian Kaskel auf Rang zwei – Bronze ging an das tschechische Zweiergespann Ilona Plechacova und David Elias.
Para-Athleten sorgen für Gänsehaut-Momente
Neben den Hauptrennen stahl ein ganz besonderes Para-Biathlon-Rennen die Show. Paralympics-Athleten mit Sehbeeinträchtigung aus Deutschland und der Ukraine lieferten sich einen spannenden Wettkampf. Mit ihren Guides an der Seite und akustischen Signalen zur Orientierung beim Schießen war das Rennen ein echtes Highlight. Die erst 17-jährige Linn Kazmaier schnappte sich gemeinsam mit ihrem Guide Robin Wunderle souverän den Sieg. Kein Wunder: Die junge Schülerin aus Nürtingen dominiert ihre Klasse und das nicht erst seit gestern. Mit 15 Jahren holte sie in Peking fünf Medaillen und bei den Para-Weltmeisterschaften sammelte sie inzwischen schon zehn Medaillen ein – davon sieben aus Gold. „Wenn mich nicht alles täuscht, haben die Zuschauer hier eine Weltpremiere erlebt. Ich wüsste auf jeden Fall nicht, dass es zuvor schon einmal ein Innenstadt-Rennen für Para-Athleten gegeben hätte,“ sagte Ralf Niedermeier, der Geschäftsführer der ausrichtenden Agentur n plus sport GmbH.
Biathlon-Fieber in Dresden: Ein Wochenende voller Höhepunkte
Die Wettkämpfe begannen sowohl bei den Damen als auch bei den Herren mit einem Qualifikationsrennen. Dabei wurden zwei Runden gelaufen und zweimal geschossen. Im Finale mussten die Damen fünf Laufrunden mit vier Schießeinlagen bewältigen, während die Herren sechsmal auf die Strecke gingen und fünfmal anlegten. Biathlon in der Innenstadt, Leistungssport verknüpft mit bester Unterhaltung und mit den Stars aus dem Winter auf Du und Du – das alles bietet dieser Wettstreit in der Landeshauptstadt. Für die Fans ist das eine tolle Gelegenheit, die Zeit des Wartens auf den Saisonbeginn auf attraktive Weise zu verkürzen. Und das ging auch ganz bequem vor dem heimischen Fernsehsessel, denn das ZDF mit Biathlon-Ikone Sven Fischer berichtete mit einer Live-Schaltung von den Finalläufen der Damen und Herren. Das Rennen der Olympiasieger, Weltmeister und Weltcup-Gewinner bildete den krönenden Abschluss eines Wochenendes mit zahlreichen Events rund um den Biathlonsport. Schon am Freitag fanden im Rahmen des Schulsporttages verschiedene spielerische Wettbewerbe statt, bei denen die jungen Talente glänzten. Am Samstag ging es mit den vom Skiverband Sachsen ausgetragenen Landesmeisterschaften für Schüler und Jugendliche im Heinz-Steyer-Stadion weiter. Und am Abend lockte dann die große Athletenpräsentation vor der Frauenkirche auf dem Neumarkt viele Fans an. Im Biathlondorf vor der Arena war ebenfalls richtig was los: Die Radio-Bühne sorgte für Unterhaltung, in der Vereinsmeile gab es spannende Einblicke in den Sport und beim Jedermann-Biathlon konnten alle selbst aktiv werden. Dazu kamen Autogrammstunden mit den Stars und jede Menge Leckereien beim Catering. „Die Premiere ist gelungen. Es war ein tolles Wochenende voller Emotionen und sportlicher Höchstleistungen. Die Stimmung hier in Dresden war einfach großartig. Besonders freut es mich, dass wir trotz der schwierigen Umstände mit dem Brückeneinsturz und auch dem doch eher bescheidenen Wetter so viele Zuschauer begeistern konnten. Es zeigt, wie wichtig der Biathlonsport für die Menschen hier ist. Ich bin überzeugt, dass der City Biathlons hier angekommen ist“, erklärte Ralf Niedermeier. Die Stimmung bei der Premiere des City Biathlons hatte schon einmal Weltcup-Niveau. Die Athleten wurden am Schießstand von der vollen Tribüne mit tosendem Applaus empfangen. Jeder Treffer wurde bejubelt, während bei einem Fehlschuss ein langgezogenes „Ahhhh“ durch die Menge ging. So hautnah hat man die Winterstars selten erlebt. Und in einer über 550.000 Einwohner zählenden Metropole schon gar nicht. Bis jetzt!
Text,Bilder: City Biathlon