Olympische Winterspiele 2022 in Peking

Medaillen & Enttäuschungen

Die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking liegen hinter uns. Und trotz aller sportpolitisch wie menschlich mehr als kritisch zu bewertenden Begleiterscheinungen haben sie einmal mehr gezeigt: Der Sport lebt von Emotionen! Und diese reichten von purer Freude über Fassungslosigkeit bis hin zu tiefer Enttäuschung.

Den außersportlichen Kontext einmal ausgeblendet, lohnt es sich, den Fokus über die nackten Zahlen und Fakten hinaus auf die Athletinnen und Athleten mitsamt ihren jeweiligen Geschichten zu lenken. Denn auch wenn Deutschland im Medaillenspiegel mit 27 Podestplatzierungen auf Platz zwei rangiert, unsere sächsischen Teilnehmenden stolze acht Medaillen, die Sportler*innen des Skiverbandes Sachsen davon allein fünf Medaillen dazu beigetragen haben, steckt hinter jedem Edelmetall eine ganz individuelle Geschichte. Gleichermaßen wie auch hinter jedem vermeintlichen Misserfolg – ein Begriff, der leider nach wie vor pauschal für jegliche Leistung verwendet wird, die nicht den vorab gestellten Erwartungen in die jeweiligen Athletinnen oder Athleten gerecht wird – aus welchem Grund auch immer.
Doch so einfach ist es nicht, erst recht nicht bei den Olympischen Spielen!

Treffend formuliert es auch der LSB-Vizepräsident Leistungssport, Klaus-Ulrich Mau: „Das Abschneiden unserer sächsischen Athleten ist sensationell und übertrifft all unsere Erwartungen. Damit hatte keiner gerechnet. Wichtig ist es nun, zum einen unsere Helden auch über den olympischen Moment hinaus in der Öffentlichkeit als Vorbild zu präsentieren und entsprechend zu ehren. Uns zum anderen aber auch vor diejenigen Athleten zu stellen und sie zu schützen, denen in Peking ein Fehler unterlaufen ist“.

Blicken wir zunächst aber auf die Ausgangssituation: insgesamt hat der Skiverband Sachsen fünf sächsische Skisportlerinnen und -sportler in das Reich der Mitte geschickt. Und etwa mit Eric Frenzel, dreifacher Olympiasieger in der Nordischen Kombination oder Denise Herrmann, Biathlon Weltmeisterin von 2019, auch auf die ein oder andere Medaille geschielt. Für die größten Überraschungsmomente sorgten in Peking aber auch  ganz andere.

Überraschungs-Gold für Herrmann & Hennig

Endlich am Ziel ihrer Träume angekommen ist etwa Denise Herrmann, vom WSC Erzgebirge Oberwiesenthal. Während sie bei ihren ersten Winterspielen 2014 in Sotschi noch als Skilangläuferin an den Start gegangen war und als große Favoritin das ersehnte Edelmetall in einer Einzeldisziplin noch verpasst hatte, gewann sie nun etliche Jahre und Entbehrungen später völlig überraschend Gold im Biathloneinzel.

Gut in die Saison gestartet, lief für die 33-Jährige in den Folgerennen nicht mehr wirklich viel zusammen. Doch pünktlich zum Höhepunkt lieferte sie bei ihrer dritten Olympiateilnahme ein nahezu perfektes Rennen ab und kürte sich über die 15 Kilometer zur Olympiasiegerin. Ein Coup, der in der Königsdisziplin im Biathlon zuletzt Andrea Henkel bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City gelungen ist. Das sogenannte i-Tüpfelchen auf den erfolgreichen Ausflug nach Peking setzte Denise Herrmann dann noch mit Bronze in der 4x6 Kilometer-Staffel der Frauen oben drauf.

Nicht weniger sensationell war der unerwartete Olympiasieg unserer sächsischen Skilangläuferin Katharina Hennig (WSC Erzgebirge Oberwiesenthal). Zusammen mit ihrer Teamkollegin Victoria Carl gewann die Oberwiesenthalerin im Skilanglaufzentrum von Zhangjiakou nur vier Tage nach der Silbermedaille mit der 4x5 Kilometer-Staffel der Frauen überraschend Gold im Teamsprint.

Sie bewies damit nicht nur eine unfassbare Lauf- und Mentalstärke, sondern auch Flexibilität. Denn erst wenige Stunden vor Rennbeginn stand fest, dass Hennig nicht etwa mit ihrer Partnerin Katherine Sauerbrey ein Duo bildet, sondern mit der Thüringerin Carl ins Rennen geht. Beide Athletinnen wuchsen schließlich über sich hinaus und konnten ihr Glück auch Stunden später noch nicht glauben. Mit lauten Jubelschreien und strahlenden Gesichtern machten sie selbst Bundestrainer Peter Schlickenrieder kurzzeitig fassungslos. Es sind Bilder wie diese, welche den Sport in seinem Kern so einzigartig machen und nicht zuletzt auch bei jungen Nachwuchstalenten den Traum vom olympischen Edelmetall entfachen.

Corona-Drama um Frenzel & Weber

Ein Corona-Drama erlebten unsere Kombinierer Eric Frenzel und Terence Weber, beide vom SSV Geyer. Sie wurden bei der Einreise nach Peking positiv getestet und in Quarantäne versetzt. Unter nahezu menschenunwürdigen Bedingungen hauste Frenzel gar zunächst auf engstem Raum, bevor er seine Isolation in einem abgelegenen Quarantäne-Hotel irgendwo im Nirgendwo fortsetzen musste. Immerhin konnte er sich dort dann mit einem Radergometer fit halten – auf die eisigen Extrembedingungen auf der Rennstrecke vorbereiten konnte er sich fernab von Schnee und Skiern jedoch nicht. Auch mental setzte ihm die Isolation zu. Wie auch soll ein Athlet so kurz vor seinem Ziel mit einer solchen Situation zurechtkommen?

Vier Jahre lang hatten sich beide auf die Spiele vorbereitet – Webers erste, Frenzels vielleicht letzte. Und dann mussten sie regelrecht dabei zusehen, wie ihnen binnen weniger Tage all die Schinderei in einem Hotelzimmer eingesperrt zunichtegemacht werden drohte. Nach über einer Woche dann die Befreiung – gedanklich schon fast wieder zu Hause, durfte Frenzel nach medizinischem Check-Up doch noch am Team-Wettkampf teilnehmen. Anders als Terence Weber, der mit der Nachnominierung von Manuel Faißt für das Einzel auf der Großschanze seinen Startplatz in Peking verloren hatte. Welch eine persönliche Enttäuschung!
Eric Frenzel hingegen war für den Teamwettbewerb gesetzt – und hinterließ auf der Schanze mit einem starken Sprung einen guten Eindruck. Federn lassen musste er dann hingegen in der Loipe. Völlig entkräftet schickte er Schlussläufer Vinzenz Geiger in die Jagd auf das Führungs-Trio. Er selbst war so erschöpft, dass er nicht einmal mehr den Zieleinlauf und Gewinn der Silbermedaille mit ansehen konnte, auch die Blumenzeremonie verpasst er nach seinem Zusammenbruch. Umso größer war sein Strahlen dann bei der Medaillenübergabe am nächsten Tag.

Schock & Enttäuschung bei Freitag

Weniger Grund zum Strahlen gab es leider für unsere erst 20-jährige Skispringerin Selina Freitag (SG Nickelhütte Aue). Nur eine Woche vor ihrem Olympia-Debüt war sie beim Weltcup in Willingen schwer gestürzt, konnte aber dennoch mit nach Peking reisen. Und nach Platz 22 im Einzel von der Normalschanze sogar leise von einer Medaille im Mixed Team träumen. Doch der Wettbewerb entpuppte sich als Albtraum für die favorisierten Nationen – gleich mehrere Athletinnen wurden wegen irregulärer Anzüge disqualifiziert. Unter ihnen auch Katharina Althaus – ein Schock für das deutsche Team, ein Schock für die Erzgebirglerin Selina Freitag.

Letztlich gehört aber genau das zum Sport dazu: ein guter Athlet muss gewinnen, aber auch einmal verlieren können. Und ein einziger Wettkampf, wenngleich es die Olympischen Spiele sind, erlaubt es nicht, pauschal über Erfolg und Misserfolg urteilen zu können. Letztlich sind es auch die Niederlagen, an denen ein Sportler wächst. Eine solche kann gleichermaßen auch Antrieb sein.

Großer Dank an alle Wegbegleiter

An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, wem die sportlichen Erfolge zusätzlich zuzuschreiben sind: allen voran den Familien unserer Athletinnen und Athleten, die jeweils große Entbehrungen auf sich nehmen, sowie sämtlichen Wegbegleitern, Unterstützern und Sponsoren. Nicht zuletzt ist es ihr aller Engagement, welches bedeutend dazu beiträgt, den Aktiven ein stabiles Umfeld sowie beste Bedingungen für den Sport zu schaffen. Häufig den intensivsten Anteil an der Entwicklung haben darüber hinaus die Trainerinnen und Trainer. Ohne deren akribisches Handeln und oftmals auch ihrem psychologischen Feingefühl für die Situation, wären solche Erfolge undenkbar.
Unser spezieller Dank gilt explizit auch diesen wichtigen Personen.

In einem ersten Fazit stellt auch Klaus-Ulrich Mau klar: „Das tolle Ergebnis für Sachsen hat gezeigt, dass die Leistungssport-Förderung im Freistaat funktioniert, hier gilt es jetzt weiterzumachen und zu analysieren, was der Wintersport anders macht als der Sommersport. Unsere Aufgabe ist es nun, den Sinn des Leistungssports gegenüber der Gesellschaft darzustellen. Unsere Spitzensportler haben deutlich mehr verdient als unseren kurzen Applaus auf der Couch. Es heißt nicht umsonst: Olympiasieger bist du für das gesamte Leben! Dem wird der Hype für wenige Minuten nicht gerecht. Den Heldenstatus gilt es über den olympischen Moment hinaus zu halten“.


Text: Landessportbund Sachsen & SVS
Bild: SVS

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